Gegen Ende des Sommers 2021 konnte ich für meinen kleinen Familienbayern endlich einen schönen Satz Sommerreifen in Mischbereifung 225/40 & 255/35R19 auf hübschen M-Felgen ergattern. Bereift war dieser mit dem Bridgestone Potenza Sport, wie ich ihn schon etliche Saisons vorher an meiner Vertreterkutsche gefahren bin. Genau auf diesem Wagen hatte ich ebenfalls gute Erfahrungen mit dem Vorgänger des hier zu testenden Bridgestone Turanza 6, weshalb ich mich sehr auf diesen Vergleich sehr freue.
Nun, vor einer Woche war es dann so weit. Der Reifenhändler meines langjährigen Vertrauens hat, begleitet von einem Becher Automatenkaffee, die nagelneuen Bridgestone Turanza 6 auf meine Felgen gezogen. Hätte Raffael nicht beiläufig auf den Schriftzug „Enliten“ gedeutet, wäre mir das so gar nicht aufgefallen. Was ich bei einem genaueren Blick dann aber bemerkte, war, dass mein Münchner zum ersten Mal einen Reifen ohne Rettungsschirm bekam – also kein Runflat, kein Driveguard. Gut – dachte ich im Stillen, den einen Reifenschaden, den ich in 20 Jahren hatte, hätte ohnehin kein Helferlein der Welt verhindern können.
So fuhr ich also etwas verhalten aufgrund der zuvor für die Reifenmontage aufgetragenen Seife an den Felgen die ersten Kilometer nach Hause. Dabei musste meine Gesichtsmuskulatur ziemlich arbeiten. Das lange Gesicht stand für das nach dem Bridgestone Potenza Sport weiche Feedback am Lenkrad. Gut, auf eine Rennstrecke fahre ich sowieso nicht. Sehr schnell wechselten also die hängenden Mundwinkel nach innen und formten ein großes, langes O. Wie beschreibe ich das am besten? Ich war einen gewissen Grundlärm gewohnt, besonders auf der ausgefahrenen, trockenen Bundesstraße 4 hätte spätestens bei den erlaubten 100 das Radio um 3 Stufen lauter gedreht werden müssen. Nur da war nichts. Nichts! Ich hab’ den Tacho mehrmals kontrolliert, ich war kein Verkehrshindernis, es war nur absolut still im Auto. Von hier an dachte ich, die Lenkung kann mich mal, ab diesem Tage cruise ich zur Arbeit.
Zu Hause angekommen wurde dann die in die Jahre gekommene und bei der Montage endgültig zur Unbrauchbarkeit entstellte, mattschwarze Felgenbeschichtung akribisch entfernt. Bei dieser Gelegenheit hielt ich schnell den digitalen Messschieber in die Rillen, um exakt 7 mm Profiltiefe als Ausgangssituation festzuhalten.
Von nun an war wieder Alltag. 6:00 morgens 30 km im Drittelmix zur Arbeit und am Abend denselben landstraßenlastigen Trott zurück. Dazwischen kommt das Wochenende. Überraschend brach ein heftiger Gewitterschauer über das schöne Weinviertel, just in dem Moment, als wir als Familie im Begriff waren, einer Einladung zu folgen. Nicht ungewöhnlich prasselte schwerer Regen, teilweise sogar mit kleinen Hagelkörnern durchsetzt, auf die Erde. Wie erwartet verzog sich das Unwetter bald und wir konnten mit kurzer Verspätung zu der Feier aufbrechen. Mit dem Willen, trotz verschobener Abreise nicht zu spät zu sein, durfte der Bridgestone Turanza 6 erstmalig auf nasser Fahrbahn zeigen, was Premiumqualität bedeutet. Die Beifahrer lehnten sich erstaunt über den leisen Innenraum gemütlich in ihre Ecken und ließen mich machen, was ich gern machte. Ich hatte inzwischen gelernt, das weiche Lenkradfeedback zu lesen und das Vertrauen zum System Fahrzeug/Reifen war längst wieder hergestellt. Besser noch, ich werde das Gefühl nicht los, dass die Federung des Touring mit den neuen Reifen ERHEBLICH besser zurechtkommt, als sie es mit den RFTs tat. Die unzähligen Asphaltwellen, die der Schwerverkehr im Laufe vieler Sommer in die Bremszonen walzte, erzeugen wesentlich weniger Unruhe im Auto, als ich das von vielen Jahren derselben Strecke gewohnt war.
Und das ist der Pluspunkt, weshalb ich sagen kann: Früher war nicht ALLES besser.
Es wurde absolut still im Auto
Veröffentlicht am 11.08.2023 von Harald aus Gaindorf